250 Jahre Hatzfeld

250 Jahre Hatzfeld uf der Heed

Jubiläumsveranstaltung in Ulm − erhaben und bewegend zugleich

Laut ortsgeschichtlicher Überlieferung seien die Erstsiedler der Doppelgemeinde Hatzfeld und Landestreu am 11. Juni 1766 an ihrem Bestimmungsort im Banat angekommen. Auf den Tag genau ein Vierteljahrtausend später feierten die Hatzfelder in Ulm – der Stadt, die im 18. Jahrhundert Dreh- und Angelpunkt großer Auswanderungswellen donauabwärts war und seit 1998 Patenstadt der Banater Schwaben ist – das 250-jährige Jubiläum ihres Heimatortes. Zu der Festveranstaltung hatte die Heimatortsgemeinschaft Hatzfeld eingeladen. Gekommen waren rund 160 Gäste – Hatzfelder aus dem ganzen Bundesgebiet und geladene Ehrengäste. Höhepunkt der Veranstaltung war die Feierstunde in den Ulmer Stuben, der ein Besuch im Donauschwäbischen Zentralmuseum und eine Gedenkfeier am Auswandererdenkmal vorangegangen waren.

Bei strömendem Regen hatten sich viele Gäste bereits um 11.30 Uhr im Donauschwäbischen Zentralmuseum (DZM) eingefunden, um die Dauerausstellung zu besichtigen. Da die Besucher in zwei Gruppen aufgeteilt werden mussten, übernahm die Kulturreferentin für Südosteuropa am DZM, Dr. Swantje Volkmann, spontan die Führung einer Gruppe. Sie ist eine gute Kennerin des Banats und seiner Geschichte, hat Hatzfeld mehrmals besucht und fördert immer wieder Veranstaltungen der HOG Hatzfeld. Sachkundig erläuterte sie die Entstehung und die Aufgaben des Museums und stellte während des Rundgangs durch die einzelnen Themenräume wichtige Stationen donauschwäbischer Geschichte vor. Spannend fanden die Besucher vor allem die Geschichten hinter einzelnen Exponaten, die Dr. Volkmann zu erzählen wusste.


Obwohl die für 14 Uhr angesetzte Gedenkfeier am Auswandererdenkmal am Ulmer Donauufer von heftigem Regen begleitet war, fand sie dennoch in einem würdigen Rahmen statt, den ihr die ausgefeilte 
Gedankensprache des stellvertretenden HOG-Vorsitzenden Dr. Franz Quint und die religiösen Impulse von Pfarrer Robert Dürbach verliehen. Die Ansprache bot einen konzisen und prägnanten Überblick über die 250-jährige Geschichte Hatzfelds. Dr. Franz Quint erinnerte daran, dass das Ortsjubiläum diesmal nicht nur – wie 1966 und 1991 – in der neuen Heimat, sondern erstmals auch in Hatzfeld selbst gefeiert werde. Zum Schluss seiner Rede sagte er: „Wir hatten unseren Platz in der Vergangenheit dort und wir haben unseren Platz in der Gegenwart hier gefunden. Unsere Heimat aber ist Hatzfeld, so, wie sie der Hatzfelder Herbert-Werner Mühlroth in seinem Gedicht ‚Heimat‘ beschreibt: ‚Es ist nur ein Fleck auf der Landkarte / doch die Spuren die wir hinterlassen / sind tief eingeschnitten / in uns selbst // Jedes Wort das wir sprechen / strömt den Geruch der Heimat aus / Heimat in die wir geboren sind / Heimat die wir verlassen haben / Heimat die wir niemals wiederfinden / es sei denn / in uns selbst // Die Bilder die wir in uns tragen / hauchen neues Leben ein / der Heimat / in uns selbst‘“.

Mit einer Kranzniederlegung am Auswandererdenkmal, einer berührenden religiösen Feier, die von Pfarrer Robert Dürbach gestaltet wurde, und einer Schweigeminute gedachten die Versammelten der ersten Siedlergeneration, „die den Neuanfang wagte und die Heimat für uns erschloss“, ihrer Nachkommen, „unseren Vorfahren, die das Land urbar gemacht haben und unsere Lebensgrundlage schufen“, der Toten der beiden Weltkriege sowie der Russland- und Bărăgan-Deportation wie auch aller Hatzfelder Verstorbenen, wo immer sie ihre letzte Ruhestätte auf dieser Welt gefunden haben. Ein weiterer Kranz wurde zu dem Lied „Ruhet sanft“ der Donau übergeben, „auf dass er symbolisch die Reise unserer Vorfahren ins Banat nachzeichne und unsere Grüße an die alte Heimat überbringe“. Den Text zu dem Lied, das auf die Volksweise „Leise sinkt der Abend nieder“ gesungen wurde, hatte Pfarrer Dürbach verfasst.

Mit dem Lied „Mein Heimatland, Banaterland“ nach dem Text von Peter Jung und der Melodie von Josef Linster – der inoffiziellen Hymne der Banater Schwaben – eröffnete der Schubert-Chor unter der Leitung von Adrian Nucă-Bartzer die Festveranstaltung in den Ulmer Stuben. Der Vorsitzende der HOG Hatzfeld, Josef Koch, hieß die Anwesenden willkommen und begrüßte als Ehrengäste Dr. Christiane Meis, Leitende Ministerialrätin im Innenministerium des Landes Baden-Württemberg, Kulturreferentin Dr. Swantje Volkmann, den Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Bernhard Krastl, den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Georg Ledig, sowie den Geschäftsführer und stellvertretenden Leiter des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen, Dr. Mathias Beer. Für die inhaltliche und musikalische Gestaltung der Feierstunde dankte er den Festrednern und dem Schubert-Chor, dem auch etliche Hatzfelder angehören.

Josef Koch bot einen kurzen Rückblick auf die potentiellen Jubiläen Hatzfelds und wies auf die Besonderheit der diesjährigen Feierlichkeiten hin. Zum einen feiere Hatzfeld sein 250-jähriges Bestehen, zum anderen werde ein Ortsjubiläum zum ersten Mal in der Geschichte Hatzfelds nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in Hatzfeld selbst begangen, und zwar vom 1. bis 7. August, gemeinsam mit der Stadt Hatzfeld und den nun dort lebenden Menschen, mit der Heimatkirche, dem Deutschen Forum und der Heimatortsgemeinschaft als Mitveranstalter. Kriege und politische Ausnahmesituationen hätten bisher eine Feier in Hatzfeld stets verhindert. Dieses 250. Jubiläumsfest sei aus diesem Grund einzigartig.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Georg Ledig, war aus Waldkraiburg angereist, um die Glückwünsche des Bundesvorstandes zum Jubiläum zu überbringen. In seiner Ansprache wies er auf die Bedeutung und Rolle der HOG Hatzfeld innerhalb der Landsmannschaft hin. Ledig zeichnete die Geschichte der Heimatortsgemeinschaft nach und würdigte deren Engagement sowohl in der neuen als auch in der alten Heimat. Dank ihrer vielfältigen Tätigkeiten zähle die HOG Hatzfeld zu den aktivsten Gliederungen der Landsmannschaft und sei stets, auch dank ihrer Größe, eine wichtige Stütze der Verbandsarbeit. In vielen Bereichen sei ihr Wirken vorbildlich und wegweisend, so Ledig. Lobend erwähnte er auch den ehrenamtlichen Einsatz vieler Hatzfelder in den Kreis- und Landesverbänden, im Bundesvorstand und in verbandsnahen Organisationen.

In seinem Festvortrag mit dem Titel  „250 Jahre Hatzfeld. Alleinstellungsmerkmale einer Banater Heidegemeinde im regionalen Kontext“ ging es Walter Tonţa, verantwortlicher Redakteur der „Banater Post“ und Mitglied im Vorstand der HOG Hatzfeld, darum, anhand von Alleinstellungsmerkmalen die Rolle und Bedeutung seines Heimatortes im regionalen Zusammenhang und in seiner geschichtlichen Entwicklung hervorzuheben und aufzuzeigen, weshalb sich Hatzfeld den Beinamen „Perle der Banater Heide“ erworben hat. Durch ihre Größe und Einwohnerzahl habe sich die Gemeinde Hatzfeld im Vergleich zu allen anderen im Zuge der mariatheresianischen Kolonisation angelegten Heidesiedlungen deutlich abgehoben, so der Festredner. Neben diesem grundlegenden Alleinstellungsmerkmal hob er als weitere Besonderheiten die überregionale Ausstrahlung der zu einem Mustergut avancierten Csekonics-Domäne, die wirtschaftliche Bedeutung der Großgemeinde als Gewerbezentrum und Industriestandort, die Diversifizierung der ethnischen Struktur der Bevölkerung beginnend mit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sowie die führende Rolle im Bereich des Schul-, Presse- und Vereinswesens auf subregionaler Ebene hervor.

„Hatzfeld: 250 Jahre Grenzerfahrung“ lautete der Titel des Festvortrags von Dr. Mathias Beer. Der am Tübinger Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde tätige Historiker richtete den Blick anhand von Auszügen aus fünf Erinnerungen, die aus unterschiedlichen Zeiten stammen, auf fünf markante Einschnitte in der Geschichte des Ortes. Diese hätten die eigentümliche Entwicklung des Ortes und seiner Bewohner maßgeblich bestimmt, so der Festredner. Das verbindende Element seien Grenzerfahrungen beziehungsweise grenzwertige Erfahrungen unterschiedlichster Art. Als große Zäsuren in der Geschichte Hatzfelds bezeichnete Dr. Beer die Ansiedlung im Jahr 1766 und die damit verbundenen Anfangsschwierigkeiten, die Grenzverschiebungen nach dem Ersten Weltkrieg, als das auch wegen seiner zentralen Lage prosperierende Hatzfeld zu einem Grenzort wurde, den maßgeblich von Grenzerfahrungen begleiteten Moment 1944, die prozesshafte, sich über mehrere Jahrzehnte hinweg vollziehende Auswanderung der deutschen Bevölkerung sowie den Fall des Eisernen Vorhangs. Als Folge von Migrationsbewegungen, Grenzverschiebungen und grenzwertigen Erfahrungen sei innerhalb von knapp eineinhalb Jahrhunderten das ethnische Bevölkerungsdiagramm des Ortes geradezu auf den Kopf gestellt worden, so Dr. Beer. Zudem sei eine neue Hatzfelder Gemeinschaft entstanden, die als Folge einer langen Kettenmigration jenseits der Ortsgrenzen Hatzfelds und der Landesgrenzen Rumäniens in der Bundesrepublik ihren Lebensmittelpunkt gefunden hat. „Grenzwertige Erfahrungen haben aus der Doppelgemeinde von 1766 eine doppelte Gemeinde werden lassen – Jimbolia im Banat und die Hatzfelder Gemeinschaft in der Bundesrepublik“, so das Fazit des Referenten.

Eine besonders feierliche Note verlieh der Veranstaltung der Auftritt des Schubert-Chors, der vorwiegend Lieder von Hatzfelder Komponisten darbot. Die Sängerinnen und Sänger brachten unter anderem die Lieder „Der Lenz“ und „Der Frühling“ von Emmerich Bartzer auf Texte von Nikolaus Lenau bzw. Friedrich Schiller sowie das „Liebeslied“ von Mathias Svoboda auf Versen von Peter Jung zu Gehör. Walter Berberich und Adrian Nucă-Bartzer begeisterten mit zwei Solobeiträgen, deren Melodie von Emmerich Bartzer und deren Text von Peter Jung stammt. Auf diese und weitere Lieder folgte noch eine Zugabe mit der von Franz Stürmer bearbeiteten Banater Volksweise „Die wahre Lieb“. Für seine Darbietungen erntete der Chor begeisterten Beifall. Durch das Konzert des Schubert-Chors erfuhr die Jubiläumsveranstaltung eine besondere Aufwertung.

Zum Schluss  eröffneten Hans und Michael Vastag die Fotoausstellung „250 Jahre Hatzfeld uf de Heed“. Auf 76 thematischen Tafeln wurden nahezu 450 Bilder präsentiert – eine eindrucksvolle fotografische Dokumentation Hatzfelder Geschichte in den letzten 120 Jahren. Die Ausstellung stieß auf großes Interesse und gab Anlass zu angeregten Diskussionen, da die Bilder viele Erinnerungen an die alte Heimat wachriefen. Zu der Ausstellung ist auch ein Fotoalbum erschienen, das zum Preis von 35 Euro, zuzüglich Versandkosten unter hatzfeld-banat.de bestellt werden kann.

Die Jubiläumsveranstaltung in Ulm findet eine Fortsetzung in Hatzfeld. Zu der Festwoche vom 1. bis 7. August sind alle Landsleute und Freunde herzlich eingeladen.

Hans Vastag

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